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Johann Winckelmann

Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften

Klaus-Werner Haupt

Das Porträt eines außergewöhnlichen Aufklärers, dessen mysteriöser Mord bei seinen zeitgenössischen und namhaften Verehrern - wie Goethe, Herder oder Anna Amalia - einen Schock auslöste.

König Ludwig I. und seine Liebe zur Antike

König Ludwig I. und seine Liebe zur Antike

Klaus-Werner Haupt

Der Wittelsbacher Prinz Ludwig Karl August (1786-1868) studierte zunächst ein Semester in Landshut, dann zwei Semester an der Universität Göttingen. Dort hörte er Vorlesungen zur Altertumskunde, griechische und lateinische Klassiker las er im Original. Der  Student verkehrte im Hause des Zoologen und Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840). Jener war ein Schwager des Altertumswissenschaftlers und Bibliothekars Christian Gottlob Heyne (1729-1812). Von den Abgüssen antiker Skulpturen in der Göttinger Universitätsbibliothek rührte Ludwigs Verehrung für Johann Joachim Winckelmann (1717-1768). Wenige Jahre später ließ er in Rom eine Büste des Begründers der klassischen Archäologie anfertigen.

1804 unternahm der 18-Jährige Prinz seine erste Reise nach Italien. Auf Besichtigungstouren in Venedig und Rom folgte die Reise nach Neapel. Beeindruckt von den antiken Grabungsstätten am Vesuv entstand der Plan einer Glyptothek. Für Kunst und die Liebe gleichermaßen entflammt - er verliebte sich in Mary, die Tochter des amerikanischen Diplomaten Robert R. Livingston - fasste Ludwig seine Erinnerungen aus Italien (1805) in Verse:

 „Ja! Ich liebe und sehne, ich ahne, ich glaube und liebe;

Hier, hier lebet der Mensch! lebet ein Seliger schon." ( 1 )
Ludwig I. als Kronprinz (1807)
Ludwig I. als Kronprinz (1807)

Zurück in Rom wurde der Prinz vom preußischen Gesandten Wilhelm von Humboldt und seiner Frau Caroline empfangen. In unmittelbarer Nähe der Villa Malta befand sich das Haus der Malerin Angelika Kauffmann, von Goethe einst als „seine beste Bekanntschaft in Rom", von Herder als „die wohl kultivierteste Frau der Welt" verehrt. Ihr stand Ludwig für zwei Gemälde Modell.

Am 1. Januar 1806 proklamierte Napoleon Ludwigs Vater zum König Maximilian I. Joseph von Baiern. Im Gegenzug wurde Ludwigs Schwester Auguste mit Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais verheiratet. Ludwig war nun Kronprinz und residierte als Generalgouverneur des Inn- und Salzachkreises in Salzburg. Vier Jahre später kam er dem verhassten Kaiser der Franzosen zuvor: Am 12. Oktober 1810 heiratete er die protestantische Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792-1854 ). Die legendären Hochzeitsfeierlichkeiten endeten am 17. Oktober mit einem Pferderennen vor den Toren Münchens. So nahm das Oktoberfest („Wiesn") seinen Anfang.

Der Kronprinz wollte seine künftige Residenzstadt durch Kunst und Kultur berühmt machen. Der Königsplatz wurde - ähnlich der Athener Akropolis - in ein klassizistisches Forum umgewandelt. An der Nordseite entstand unter Leitung des Architekten Leo von Klenze (1784-1864 ) die Münchner Glyptothek. Dieses Museum sollte sowohl die Antikensammlung der Wittelsbacher als auch eigene Sammlungsstücke, darunter die sogenannten Ägineten, aufnehmen. Ludwigs Kunstagent Johann Martin Wagner streckte dafür in Rom seine Fühler aus.

Glyptothek München
Glyptothek München

Am 15. Oktober 1817 brach der Kronprinz erneut nach Italien auf. Über Bologna und Florenz erreichte er nach elf Tagen die Ewige Stadt. Dort mietete er die bekannte Villa Malta, bevor er nach Neapel weiterreiste. Als er Ende Januar 1818 wieder in Rom eintraf, schätzte er nicht nur die Nachbarschaft zur Casa Buti in der Via Felice (heute Via Sistina 48-51). In der Künstlerherberge wohnten der Bildhauer Bertel Thorvaldsen und der Maler Carl Adolf Senff. Häufiger Gast in der Villa Malta war die Römerin Angelina, der Ludwig nun seine Verse widmete. Dabei fielen ihm Goethes Römische Elegien (1788/90) ein: „... ohne die Liebe wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom." Ludwig war ein großer Verehrer Goethes, ganze Passagen aus dessen Werken kannte er auswendig.

Am 26. Januar 1820 traf nach langem Hin und Her in München die Skulptur eines Satyren, der Barberinische Faun (ca. 220 v. Chr.), ein. Die Entfernung zwischen München und Rom hatte sich verringert. Alles drehte sich sowohl um die Glyptothek als auch um die Walhalla bei Donaustauf. Ähnlich dem römischen Pantheon sollte sie als „Göttertempel" für bedeutende Persönlichkeiten dienen. Zum Jahreswechsel reiste Ludwig nach Rom, um seine Pläne dortigen Künstlern zu erörtern. Auf die Mühsal der Arbeit folgen die Ausschweifungen des Karnevals - von Goethe bereits bildgewaltig als Das römische Carneval (1789) geschildert. Marchesa Marianna Florenzi (1802-1870) hieß die „himmlische Schöne", wegen der der knapp 35-Jährige sich, seine Familie und die Welt vergaß ... Marianna wurde für Jahrzehnte Ludwigs Geliebte.

Am 13. Oktober 1825 bestieg er als König Ludwig I. den Thron. Eine der ersten Verordnungen des jungen Monarchen betraf die Änderung der Schreibweise von „Baiern" zu „Bayern". Zwei Jahre später reiste er nach Weimar, um Goethe persönlich zum 78. Geburtstag zu gratulieren und ihm das Großkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone zu überreichen. 1828 ließ er ihn von dem Maler Josef Karl Stieler porträtieren. Zur „Ikonographie" des Gemäldes gehört ein Blatt Papier, das Goethe in der rechten Hand hält - darauf die Verse eines von Ludwig I. verfassten Gedichtes. Damit erwies der Dichterfürst sowohl dem Auftraggeber als auch dem Dichterkollegen seine Reverenz. Andere Zeitgenossen hielten sich mit ihrer Begeisterung zurück. Als Anfang März 1829 die Gedichte Seiner Majestät bei Cotta in Buchform erschienen, konnte jedermann nachlesen, dass Ludwigs Liebe nicht nur Kunst und Literatur, sondern auch zahlreichen Frauen galt. Die von Stieler gemalte „Schönheitsgalerie" (heute im Schloss Nymphenburg) war öffentlich zugänglich und gehörte bereits zu den Attraktionen der Residenzstadt München.

Salvator de Carlis, Johann Winkelmann (1808)
Salvator de Carlis, Johann Winkelmann (1808)

1822 unterstützte Ludwig I. wie andere Philhellenen den Kampf der Griechen gegen die 350-jährige osmanische Fremdherrschaft. 1829 wurde sein zweiter Sohn als König Otto I. von Griechenland etabliert. Wie Goethe fürchtete auch Ludwig die Revolutionen im eigenen Land. Seine Affäre mit der Tänzerin Lola Montez und die ihr zugebilligten Privilegien brachten die Öffentlichkeit gegen ihn auf. Der König fühlte sich verraten, am 19. März 1848 dankte er ab. Die Nachfolge trat sein Sohn als König Maximilian II. an.

Auch während der verbleibenden zwei Jahrzehnte wirkte Ludwig als Kunstmäzen. Begonnene Bauten wurden vollendet, private Sammlungen dem Königreich übereignet. Ludwigs Antikenbegeisterung ist der Eindruck zu verdanken, Bayern gehörte zu Italien: Die Walhalla bei Donaustauf ähnelt dem berühmten Poseidon-Tempel von Paestum, das Pompejanum in Aschaffenburg der antiken Casa dei Disoscuri, die 1828/29 in Pompeji ausgegraben wurde. Die prächtige Münchner Ludwigstraße - zwischen Feldherrnhalle und Siegestor gelegen - repräsentiert die Liebe zu Italien: Monaco di Bavaria ...

1855 feierte Ludwig ein Jubiläum: 50 Jahre zuvor setzte er seinen Fuß zum ersten Mal nach Rom. In der Villa Albani, Via Salaria 92 beschloss er, deren einstigem Kustos Johann Joachim Winckelmann erneut ein Denkmal zu setzen. Den Auftrag für die Büste erhielt damals der Bildhauer Emil Wolff. Im November 1866 trat Ludwig seine letzte von mehr als zwanzig Romreisen an. Den folgenden Winter verbrachte er in Nizza, wo er am 29. Februar 1868 verstarb.

Am 9. Dezember 2015 - dem 298. Geburtstag Winckelmanns - sorgte Ludwig I. erneut als Antikenliebhaber für Schlagzeilen: Die 1808 von ihm in Auftrag gegebene Marmorbüste Winckelmanns kam nach langer Reise zurück nach München. Der Südtiroler Bildhauer Salvator de Carlis (1785-1839) hatte sie 1808 in Rom angefertigt, doch für die Walhalla wurde die 68 Zentimeter hohe Porträtbüste als zu klein befunden. 1830 gelangte sie in die Münchner Glyptothek, 1853 in die Neue Pinakothek, von dort ins Münchner Herzog-Max-Palais, später ins Schloss Tegernsee und schließlich auf den internationalen Kunstmarkt. 2015 wurde die Büste dank finanzkräftiger Partner zurückgekauft. Nun wird sie neben der Büste Ludwigs als Kronprinz (angefertigt von Bertel Thorvaldsen) im Foyer der Münchner Glyptothek präsentiert.

Quellen:

 

( 1 ) Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bayern. Vierter Theil. München, im Verlage der Literar. Artist. Anstalt der J.G. Cotta'schen Buchhandlung. 1847.

http://www.goethezeitportal.de/wissen/projektepool/goethe-italien/italienlyrik/ludwig-i-koenig-von-bayern.html

http://www.deutsche-biographie.de/sfz70572.html

 

Bildnachweis:

( 1 ) Bertel Thorvaldsen, Büste Ludwigs. I. von Bayern als Kronprinz (Original 1818). Thorvaldsen Museum Kopenhagen 

( 2 ) Ludwig I. König von Bayern (1826). Gemälde von Joseph Karl Stieler. Heutiger Standort: Neue Pinakothek München

( 3 ) Angelika Kauffmann, Ludwig I. als Kronprinz (1807). Neue Pinakothek München

( 4 ) Glyptothek München. Foto: Haupt (2011)

( 5 ) Salvator de Carlis, Johann Winkelmann (1808). Glyptothek München. Foto: Renate Kühling

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