Die drei Fräulein zu Unterhausen
Carolin Eberhardt
Jede Region Deutschlands hält in ihrem Sagenschatz
unglaubliche und phantastische Geschichten über längst vergangene Zeiten
bereit. Ob Fabeltiere, Riesen, Hexen oder Trolle: Sie alle sollen vor langer
Zeit einmal gesehen worden sein. Ebenso verhält es sich mit verschiedenen
Geistergeschichten, die insbesondere von Orten mit historischen Ruinen erzählt
werden. In der bayrischen Sage kommt neben dem Gruselfaktor der Legenden
zusätzlich ein Gottesbezug oder eine überdurchschnittliche Frömmigkeit der
Hauptfigur hinzu. Auch die folgende Sage handelt von gottesfürchtigen Menschen,
die nun ihr Los, verdient oder unverdient, auf ewig tragen müssen.
Carolin Eberhardt
Seit langer Zeit wird sich über die Gegend von Unterhausen
bei Neuburg an der Donau folgende Geschichte erzählt: Von den Resten der
sogenannten Kaiserburg soll der Sage nach eine Straße durch das Dorf
Unterhausen und weiter hin zu einer gegenüberliegenden Anhöhe geführt haben.
Besagter Weg soll aber nur so breit gewesen sein, dass drei Fräulein, genauer
die letzten Töchter der Adligen auf der Kaiserburg, nebeneinander her gehen
konnten. Die andere Anhöhe, zu welcher die Straße führte, war einst mit einer Kirche
versehen, zu welcher die drei Jungfrauen zu Lebzeiten für gewöhnlich pilgerten.
Noch heute, so berichtet die Sage, entdeckt der eine oder andere des Nachts
seltsam anmutende und silbern schimmernde Nebelschleier in der Gegend, in
welcher die Straße einst durch Unterhausen führte. Meist um die
Mitternachtsstunde erklingt ein leiser, aber feiner Kirchengesang, der sich
bereits außerhalb des Ortes vernehmen lässt. Wenn der Beobachter die
beleuchteten Nebel genauer betrachtet, so erkennt er zuweilen die zarten
Gesichter der jungen Mädchen, welche dann, durch den Blick des Betrachters
traurig gestimmt, in ein erschütterndes Wehklagen verfallen. Ihren Weg zu dem
Standort der einstigen Kirche setzen sie dennoch unbeirrt weiter fort. Keiner
weiß jedoch über das Schicksal der Mädchen etwas zu berichten und so ist auch
nicht bekannt, weswegen sie für immer dazu verdammt sind, ihren Pilgerweg jede
Nacht bis in die Ewigkeit fortzuführen.
*****
Textquelle:
In Anlehnung an: Schöppner, Alexander (Hrsg.): Sagenbuch der Bayrischen Lande: aus dem Munde des Volkes, der Chronik und der Dichter, Band 3, München: Verlag der Ratth. Rieger'schen Buchhandlung, 1853; Quelle der Sage: mündlich überliefert.
Bildquelle:
Vorschaubild: Kaiserburg Oberhausen 4, 2021, Urheber: Bombe 444 via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.
Weitere Beiträge dieser Rubrik