Die Hand Gottes verbrachte laut der bayrischen Sage ein über das andere Mal ein Wunder, um gottesfürchtige Menschen vor dem Elend zu bewahren. Ein Beispiel für solcherlei Geschichten zeigt sich in der Sage „Die steinerne Agnes“. Auch von Chamerau ist eine Geschichte über den Zorn Gottes bekannt, welcher über einen Ritter und sein Gefolge hereinbricht.
Vor langer Zeit begab es sich, dass der Ritter von Chamerau der wunderschönen Müllerstochter im Regenthale verfallen war. Seine Absichten waren allerdings dabei nicht die ehrbaren eines zukünftigen Bräutigams. Und so verwundert es nicht, dass die sittsame Müllersmaid für die kurzweiligen Avancen des Ritters keinen Sinn fand. Dieser wollte aber die Sache nicht auf sich beruhen lassen, war doch seine Leidenschaft viel größer als seine Vernunft. Als er die Maid nun eines schönen Sonnentages bei einem seiner Raubzüge auf der Wiese ihres Vaters sitzen und die Leinen bleichen sah, fasste er den Entschluss, sich dessen zu bemächtigen, was ihm auf anderem Wege verwehrt geblieben war. Darauf lenkte er nun sein Pferd vom Pfad ab, direkt auf die Müllerstochter zu. Das Mädchen bemerkte die böse Absicht des Ritters, sprang auf und versuchte ihre Flucht, gleichsam einem scheuen Reh, eilends durch die Landschaft. Ihr Entkommen wurde jäh unterbrochen, als sie sich plötzlich am Ufer des Regens wiederfand. Unglücklicherweise gab es an dieser Stelle keinerlei Überführung, keine Brücke, die ihr den weiteren Weg auf die andere Uferseite ermöglicht hätten. Und so sah sie sich vor die schwerlastende Wahl gestellt, ob sie den Tod in den Fluten des Regens wählen oder sich einem Schicksal der Entehrung und Schande gegenüber sehen sollte. Lange Zeit blieb ihr nicht für die Entscheidung, denn schon brachen die Rösser mit des Ritters Gefolgsmännern hinter ihr durch das nahe Gebüsch. Kurzerhand sprang sie in den Fluss, nicht ohne folgendes Gebet auszusprechen: „Gott genade meiner Seele!“ Die Fluten traten ihr nun barmherziger gegenüber als es die Menschen zuvor getan hatten. Sie fühlte sich durch die Wellen bis auf den Grund des Flusses getragen, wo sie nun Fuß fassen und ihren Weg fortsetzen konnte. Doch auch hier war die Gefahr noch nicht vorüber. Denn auch in den Fluss stiegen ihr die Verfolger samt ihrer Pferde nach und sie hörte bereits hinter sich das Schnaufen der Rosse und das Gelächter der Männer. Mit einem Mal aber war es hinter ihr still geworden. Kein Geräusch war weiter zu vernehmen als das beruhigende Rauschen des Wassers ringsum. Als sich das Mädchen nun umdrehte, erkannte sie zu ihrem Erstaunen und in größter Erleichterung, dass sowohl der Ritter als auch seine Gefolgsleute in große ungestaltete Felsblöcke verwandelt worden waren. Als Strafe Gottes sollten sie nun fortan derer gemahnen, die es begehren, einem gottesfürchtigen Menschen bösartig gegenüber zu treten. Auch heute noch sind die Felsen im Regen zu sehen, wenn man sich von Chammerau Richtung Roßbach begibt.
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Textquelle:
In Anlehnung an: Schöppner, Alexander (Hrsg.): Sagenbuch der Bayrischen Lande: aus dem Munde des Volkes, der Chronik und der Dichter, Erster Band, München: Verlag der Matth. Rieger'schen Buchhandlung, 1852.
Bildquellen:
Vorschaubild: Roding (Oberpfalz) Germany Photographer: S.Fischer, 2005, Urheber: Sfischer via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
tier-pferd-ritter-säugetier-fahrer-1299562, 2016, Urheber: OpenClipart-Vectors via Pixabay CCO.