Benedikt XVI.
Florian Russi
Ein Papst aus Bayern
Für das Jahr 2014 weist die Statistik 1,2 Milliarden auf der Erde lebende Katholiken aus. Nach deren Glauben wurde die Kirche nach dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi am Pfingsttage gegründet. An diesem Tag kam der Heilige Geist über die versammelten Jünger Jesu, segnete und erleuchtete sie und übertrug ihnen die Verantwortung für die Verbreitung des christlichen Glaubens. Als weltliches Oberhaupt der Kirche und Stellvertreter Christi wurde der Apostel Simon Petrus anerkannt. Nach dem Matthäus-Evangelium (16, 18-19) hatte Jesus zu ihm gesagt: „Du bist Petrus (der Fels) und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen."
Petrus soll um das Jahr 66 in Rom den Märtyrertod erlitten haben. Sein Nachfolger wurde der aus der Toskana stammende Heilige Linus, der zuvor Petrus als Vikar gedient haben soll. Mit Papst (der Name bedeutet: Vater) Franziskus steht inzwischen der 265. Nachfolger des Heiligen Petrus an der Spitze der römisch-katholische Kirche. Sein unmittelbarer Vorgänger war ein Deutscher, ein Mann aus Bayern: Benedikt XVI., mit bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger. Aus drei Gründen wird er als herausragender Pontifex in die Kirchengeschichte eingehen.
Papst Benedikt XVI. fährt zur Generalaudienz
Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 in Martkl am Inn geboren. Sein Vater war Polizeibeamter, die Mutter Köchin. Beide Eltern waren fromme Katholiken. Auch der erste Sohn der Familie, Georg, wählte den geistlichen Beruf. Er wurde Domkapellmeister in Regensburg und leitete viele Jahre die „Regensburger Domspatzen", einen seit über 1000 Jahren bestehenden, weiterhin bekannten Knabenchor.
Der erste Grund für die besondere Bedeutung Joseph Ratzingers ist ein intellektueller. Schon mit 31 Jahren erhielt er eine erste Professur für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen-Philosophischen Hochschule in Freising. Es folgten Berufungen an die Universitäten von Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. In den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit trat er als Berater des von Papst Johannes XXIII. einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzils. Zunächst wirkte er als Berater und Redenschreiber des Kölner Kardinals Frings, der dem Konzilspräsidium angehörte. Danach wurde er von Papst Paul VI. offiziell zum Konzilstheologen berufen. Für die Teilnehmer und Beobachter des Konzils galt er dabei als ausgewogen und fundiert reformatorisch. Er verstand es, theologische Fragen klar zu formulieren und zu erklären. Vielen Gläubigen und auch Geistlichen machte er Glaubensregeln verständlich und befreite die Theologie von manchen Verbrämungen und kryptischem (unbegreiflichem) oder auch barockem Beiwerk.
1977 wurde er von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München-Freising, noch im selben Jahr auch zum Kardinal ernannt. Der im Jahr 1978 gewählte Papst Johannes Paul II. berief ihn 1981 nach Rom zum Präfekten (Leiter) der Glaubenskongregation. Deren Aufgabe ist es, „die Glaubens- und Sittenlehre in der ganzen katholischen Kirche zu fördern und zu schützen". In dieser Funktion hatte Ratzinger großen Einfluss auf die Herausgabe des 2005 aktualisierten Katechismus der Katholischen Kirche. Der Katechismus beinhaltet in Fragen und Antworten die Grundregeln der katholischen Glaubenslehre und erläutert diese. Er schreibt unter anderem auch vor, dass ein Katholik ordnungsgemäß seine Steuern zu zahlen hat.
Als Dekan (Vorsteher) des Kardinalskollegiums, der er seit 2002 auch war, oblag es ihm, die Begräbnisfeierlichkeiten für den hoch verehrten Papst Johannes Paul II. zu leiten. Als dessen Nachfolger wurde er dann am 19. April 2005 selbst zum Papst gewählt.
Die zweite historische Besonderheit Benedikts XVI. ist, dass er seit mehr als 450 Jahren der erste Deutsche war, der mit dem Papstamt betraut wurde. Sein letzter deutscher Vorgänger war Hadrian VI. (1522-23). Er stammte aus den Niederlanden, die damals noch zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörten. In den Jahren 1046 bis 1057 waren hintereinander 5 Deutsche zu Päpsten gewählt worden.
Die dritte Besonderheit ist, dass Benedikt XVI. der zweite unter den Nachfolgern des Heiligen Petrus war, der noch zu Lebzeiten sein Amt freiwillig niederlegte. Bei allen andern Päpsten galt der eherne Grundsatz, dass sie, da sie ja Gottes Auserwählte waren, ihr Amt, wenn sie nicht aus kirchrechtlichen Gründen zur vorzeitigen Aufgabe gezwungen wurden, erst mit dem Tod zu beenden.
Dass Benedikt, dem eine bescheidene private Lebensführung nachgesagt wird, von dieser Tradition abgewichen ist, spricht für seine Verantwortlichkeit. Er, der in jeder theologischen oder philosophischen Diskussion brillieren konnte, sah sich als über 80-jähriger damit überfordert, Skandale wie Kindesmissbrauch und Finanzmanipulationen in der Kirche wirksam anzupacken. Leider waren es eigene Würdenträger, welche die christliche Moral, die Ratzinger so überzeugend darzustellen wusste, mit Füßen getreten und damit eine weltweite Glaubenskrise verursacht hatten.
Joseph Ratzinger lebt seit seinem Amtsverzicht in einem ehemaligen Kloster innerhalb des Vatikans und widmet sich vornehmlich wieder der Wissenschaft. Seinem Nachfolger Franziskus begegnet er mit der gebührenden Distanz und freundlichem Respekt. Als Autor vieler theologischer Schriften wird er auch zukünftig eine große Bedeutung in der Kirche haben.
*****
Bildquellen:
Vorschaubild, ope Benedict XVI performing a blessing during the canonization mass in St. Peter's Square in Rome, Wikipedia, Rvin88 (CC BY 3.0 BR)
Papst Benedikt XVI. fährt zur Generalaudienz, gemeinfrei