Es war im Jahr 1586, als Prinzessin Anna von Sachsen mit Johann Casimir Herzog von Sachsen-Coburg die Ehe einging. Schon bald zeigte sich, dass diese nicht sehr glücklich verlief, da der junge Mann sich überhaupt nicht seiner Gemahlin, sondern nur seinen Leidenschaften widmete. Der von dem Herzog an den Coburger Hof geholte berühmte Graf Hieronymus Scottus, der als charmanter Magier sowie Alchemist sich das Vertrauen Annas erschlich, nutzte die Situation schmählich aus. Er gaukelte ihr vor ihren Kinderwunsch Realität werden zu lassen, und verführte sie unter sehr mysteriösen Umständen. Auch brachte er sie um große Vermögenswerte. Bevor Scottus Coburg verließ, richtete er bösartiger Weise noch mehr Unheil an. Unter merkwürdigem Gebaren arrangierte er zwischen ihr und dem Höfling Ulrich von Lichtenstein ein Verhältnis. Nach dessen Aufdeckung 1593 ließ sich Johann Casimir sofort von seiner Gemahlin scheiden.
Ihr tragisches Schicksal veranlasste den Autor Hans-Joachim Böttcher die Biografie: „Wenig und bös war die Zeit meines Lebens - Anna von Sachsen (1567–1613)“ zu verfassen, welche der Dresdener Buchverlag Ende Juni 2016 heraus brachte.
Zuerst für fast drei Jahre im thüringischen Eisenach gefangen gehalten, schaffte man Anna im September 1596 in das bei Coburg gelegene ehemalige Hofstättener Kloster Sonnefeld. Hier wurde sie im klösterlichen Frauenhaus in der oberen Etage untergebracht, wo für sie und ihr Personal zwei oder drei größere sowie zwei kleinere Räume zur Verfügung standen. Da der Trakt direkt an den hohen Kirchenchorraum angebaut war, existierte auf dieser Ebene noch aus Klosterzeit ein Zugang zu einer Empore des Chorraumes. Hinter einem Butzenglasfenster sitzend, konnte Anna dort regelmäßig dem Gottesdienst beiwohnen, den Worten des Pfarrers lauschen und die Lieder mit der Gemeinde mitsingen. Für sie war das sicher eine Erleichterung ihrer schweren Lebensbedingungen.
Johann Casimir hatte angeordnet, dass sich das Leben der Inhaftierten, so wie schon in Eisenach auch in Sonnefeld nur auf ihre Wohnräume zu beschränken habe. Selbst gelegentliche Spaziergänge im Freien gestattet er ihr damit nicht. Als Bedienstete und somit einzige Gesprächspartner standen Anna zwei Mägde zur Verfügung. Über sie alle war die Aufsicht dem Sonnefelder Amtsschösser Philipp Eberwein übertragen worden. Offenbar über einen gutmütigen Charakter verfügend, rührte diesen Annas Schicksal und so begann der Schösser seine ihm übertragenen Pflichten etwas weitherzig, damit aber nicht im Sinn des Herzogs auszuüben. Das veranlasste diesen am 3. November 1597 ein drohendes Mahnschreiben an Eberwein zu richten, mit der Erinnerung an seine Aufgaben. Zudem schickte er am 17. des Monats an seine Räte eine Aufforderung, sich persönlich zu informieren und ihm sodann mitzuteilen, ob Eberwein seine Vorschriften genau beachten und die Gefangene gut bewachen würde. In der Folge wurde selbst jegliche Verbindung von Annas Personal zur Außenwelt unterbunden. Das Ziel war, die Gefangene möglichst nur auf sich zu beschränken sowie zur stetigen Auseinandersetzungen mit ihrem Lebensfehler zu zwingen, also ihre Situation immer qualvoller werden zu lassen.
Sicher setzte sie sich damit auch immer wieder und wieder auseinander und suchte nach den Ursachen, die erlaubten, dass Scottus sie zu verführen vermochte. Aber sein suggestiv-hypnotisches Wirken wird Anna, mit dem bescheidenen Wissen über das sie verfügte, auch nach Jahren noch nicht zu durchschauen vermocht haben. So blieb sie trotz allen Nachsinnens in dem Zustand des Unwissens, wie es eigentlich zu ihrem Ehebruch mit Scottus sowie Lichtenstein kam und wie groß daran ihre Schuld war.
Dennoch versuchte die Unglückliche ihrem Leben, bei all seiner Trostlosigkeit, einen Halt und zumindest minimalen Sinn zu geben. So suchte sie zunehmend Trost über ihr Schicksal in der Bibel, indem sie diese ausgiebig las. Darin band sie ihre beiden Mägde ein, mit denen sie Andachtsstunden durchführte. Dabei las sie Bibelstellen vor, erklärte diese und versuchte dann durch Fragestellungen zu klären, ob sie alles verstanden haben. Aber natürlich widmete Anna sich ebenso intensiv der Beschäftigung mit Handarbeiten sowie der Vermittlung von deren Techniken an die Dienerinnen. Den Bildungsstand dieser zeitgemäß sehr unwissenden Frauen zu verbessern, wurde ihr so immer mehr zur Herzensangelegenheit.
Während Anna gezwungenermaßen solch ein isoliertes Dasein führte, geschah das bei ihren Mägden mehr oder weniger freiwillig. Sicher hatten sie in ihrer Einfalt überhaupt nicht gewusst, auf was sie sich mit ihrer Dienstzusage einließen; sie also letztlich ein genauso abgeschottetes Leben wie ihre Herrin führen mussten.
Dessen Eintönigkeit und Eingeschränktheit in kommunikativer Hinsicht, aber sicher mehr noch seine Freudlosigkeit, zeigte bei der Magd Barbara Schmidt gegen Ende 1597 / Anfang 1598 bedenkliche seelische Auswirkungen. Sie begann immer merkwürdigere, beängstigende Reden zu führen. Etwa zeitgleich kam dazu bei ihr noch eine Erkrankung an den „dürren Pocken“. Schließlich setzte die darüber zunehmend verängstigte Anna den Schösser davon in Kenntnis. Der ließ daraufhin am 23. Januar 1598 dem Herzog einen Bericht über die Vorkommnisse zukomme. Die Folge war, dass dieser die Schmidtin aus Sonnefeld wegbringen ließ und sich ihrer Verschwiegenheit versichernd sodann für sie eine Krankenpflege veranlasste.
Mehrere Jahre musste Anna nun schon in Haft leben, mit schweren Belastungen des
Gemütes und ohne, dass es ihr jemals erlaubt wurde im Freien spazieren zu gehen. Damit konnte sie weder ihren Körper, wie erforderlich beanspruchen, noch die Sonne genießen. So verwundert es nicht, dass sie im Laufe des Jahres 1598 zusehends kränkelte und immer schwächer wurde. Eberwein meldete den Zustand daraufhin besorgt dem Herzog, der allerdings hartherzig keinerlei Reaktion zeigte. Umso schneller Anna schließlich starb, umso weniger Geld würde er für ihren Unterhalt ausgeben müssen.
Der Abgang der Schmidtin aus dem Dienst der Gefangenen hatte natürlich Folgen, da für sie Ersatz beschafft werden musste. Die schließlich dazu verpflichtete Person bewährte sich allerdings nicht, was auf Grund der Lebensumstände kaum verwunderlich war. Das veranlasste den Herzog Anfang 1599 eine völlige Neugestaltung der Bedienungs- sowie Aufsichtsordnung für Anna zu veranlassen. Dadurch sollte einerseits deren Bewachung verstärkt werden, andererseits aber auch nicht durch noch mehr unzuverlässiges, wechselndes Personal streng vertrauliche Dinge aus dem Leben der Gefangenen an die Öffentlichkeit gelangen können. Denn es scheint, als ob das doch trotz aller Isolierung von Anna sowie ihrer Mägde weiterhin geschah und dem Herzog zu Gehör gekommen war. Wohl gerade auf Grund mehrerer vergangener Jahre betrachtete er das Gerede über sie, die Gründe ihrer Inhaftierung und damit auch über ihn weiterhin als eine schlimme persönliche Schmach. Denn mit seiner strengen Inhaftierung Annas versuchte er ja gerade, sie in Vergessenheit geraten zu lassen, so als ob sie schon tot und damit nicht mehr des Erwähnens wert sei.
Um das endlich zu erreichen bestimmte der Herzog seinen alten Türknecht Wolf Zeuhner zu der für die Überwachung von Anna zukünftig allein zuständigen Person. Am 18. Februar 1599 wurde dieser mit den Aufgaben seines Amtes bekannt gemacht und vereidigt. In dem Zusammenhang ließ Johann Casimir der „Custodierten“ [Bewachten] mitzuteilen, dass sie „sich zu begnügen und zu beruhigen“ habe. Denn offensichtlich hatten all diese Veränderungen Anna in eine große Unruhe versetzt, ja zu hysterischen Anfällen veranlasst.
Im Rahmen dieser Veränderung trat auch Zeuhners Frau ihr Amt als Annas neue Kammerfrau an. Zusätzlich wurde nun erstmals auch eine reguläre Köchin angestellt, die für die Gefangene und ihr Personal regelmäßig das Essen zubereiten musste. Bisher war diese Aufgabe nur mehr schlecht als recht mit von den Mägden wahrgenommen worden. Weiterhin erfolgte die Einstellung einer weiteren Kammerfrau, namens Agnes Kestner. Daneben behielt die bisher in Annas Diensten befindliche Magd ebenfalls ihr Amt.
Wenngleich damit die Bewachung sowie Betreuung Annas im Wesentlichen in der Hand eines getreuen, diensteifrigen Mannes und seiner Frau waren, reichte Johann Casimir das zur Optimierung ihrer Kontrolle offenbar immer noch nicht. So veranlasste er Anfang Juni 1599 den altersmilden sowie mit der Gefangenen Mitleid fühlenden Amtsschösser Eberwein eine andere Stellung zu übergeben. Sein Amt bekam der jüngere, energischere Conrad Feustling übertragen.
All diese Maßnahmen sollten Anna zeigen, dass sie sich überhaupt keine Hoffnung machen sollte, dass ihr ehemaliger Gemahl im Laufe der Zeit ein weitherzigeres Verhalten gegen sie an den Tag legen würde. Auch wollte er ihr damit bestimmt demonstrieren, dass alles Mögliche getan werden würde, um ihrer eventuellen Befreiung vorzubeugen.
Entweder erinnerte Eberwein Johann Casimir nochmals vor seinem Abgang an Annas anhaltend schlechten Gesundheitszustand oder dann Feustling. Jedenfalls kam endlich durch den Herzog am 26. Juni die Anweisung, dass er zur Verbesserung ihres Zustandes erlaube: „Wenn Niemand sonst im Amte ist, daß sie dann jebißweilen bade“. Nach über 5 ½ Jahren der Haft, ohne sich ab und zu gründlich reinigen zu dürfen, war das für Anna eine große Erleichterung.
Daneben gab es für sie noch eine weitere positive Neuerung. Offensichtlich durch die Wandlungen ermutigt, hatte Anna im Juni über den neuen Schösser Feustling an den Herzog eine große Bitte herantragen lassen. Die bestand darin, dem örtlichen Pfarrer Johann Diel zu gestatten sie persönlich mit geistlichem Trost versehen zu dürfen. Im Interesse seines eigenen Seelenheils wagte das Johann Casimir als gläubiger Mensch nicht abzulehnen. Er befahl darum Feustling dem Pfarrer anzuweisen: „er möge die Custodierte auf ihr Ansuchen besuchen, und zur Beförderung ihrer Seelen Seeligkeit geistliche Erbauungen und Gebete mit ihr zu sprechen, doch soll er sich enthalten weltliche Gespräche, die seines Berufs nicht sein, zu führen und des weitern jegliches Geheimnis der Beichte mit ins Grab nehmen“.
Endlich nach Jahren der strengen Abgeschiedenheit mit einer zusätzlichen Person Kontakt pflegen zu dürfen und noch dazu mit einem Pfarrer zur Stärkung ihrer Seele, dürfte für Anna eine große Erleichterung gewesen sein. Und das insbesondere auch, da ihr in jenen Tagen mitgeteilt wurde, sicher zur Erhöhung ihrer Seelenqualen, dass der Herzog am 14. Juni Margaretha von Braunschweig-Lüneburg ein Eheversprechen gegeben habe.
Anna war keine lebensfremde Träumerin. So musste sie seit Jahren damit rechnen, dass Johann Casimir erneut heiraten würde; schließlich brauchte er für sein Land einen Erben. Trotzdem dürfte es für sie ein Schock gewesen sein, als er mit der Verlobung die ersten Schritte dazu unternahm. In dieser für Anna so schwierigen Situation stand ihr nun Magister Diel regelmäßig seelsorgerisch zur Seite. Sicherlich wird ihr das, da sie ein gläubiger Mensch war, neue seelische Kraft gegeben haben, ihrem Schicksal entgegen zu sehen.
Aber es war noch ein ganz anderer Aspekt, der Anna neue Hoffnung und damit Lebensenergie gab. Denn Johann Casimirs Braut Margaretha war eine Tochter des Herzogs Wilhelm des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg und seiner Gemahlin Dorothea von Dänemark. Und die war nun einmal eine Schwester von Annas Mutter und damit ihre Tante; deren Tochter war somit Annas Cousine. Dieser sehr nahe Verwandtschaftsgrad hatte natürlich bei Anna die Hoffnung geweckt, dass sich Margaretha nach der Eheschließung für sie einsetzen würde, so dass sich zumindest ihre Haftbedingungen lockern würden.
Wohl darum war sie sehr gefasst, als am 16. September 1599 von der Veste Coburg der Schall der Salutschüsse nach Sonnefeld herüberdrang, der von dem Beilager Johann Casimirs mit Margaretha in der Ehrenburg kündete. Gleichmütig äußerte Anna zu ihrer Kammerfrau Zeuhner, vielleicht auch mit der Hoffnung, dass deren Mann ihre versöhnlichen Worte an Johann Casimir weiterleitet: „Was soll es gelten, jetzt steht mein gnädiger Herr vor dem Priester! Ach, Gott gebe meinem gnädigen Herrn Glück und alle Wohlfahrt.“ Eine Weile später meinte sie: „Ach, daß meine Muhme, nur einmal nach mir ließ fragen, denn sie mir ja nicht näher zugehören könnte!“ Unter den Teilnehmern der Hochzeit befanden sich im Übrigen natürlich Annas Tante sowie mehrere ihrer Cousinen und Cousins aus der Braunschweiger Familie.
Die demütig-freundlichen Wünsche der Gefangenen für die erneute Eheschließung Johann Casimirs fanden bei ihm keine positive Resonanz. Von seinem rachsüchtigen Charakter beherrscht, der immer schon gegen Anna ausgeprägten Herzlosigkeit sowie rein ökonomischen Überlegungen zu ihrer Gefangenschaft dachte er überhaupt nicht daran ihr gegenüber christliche Nächstenliebe auszuüben. Sondern im Rahmen der Eheschließungsfeierlichkeiten zeigte Johann Casimir sich erneut von einer mehr als gehässigen Seite. Wie bei Hochzeiten hochherrschaftlicher Häuser üblich, ließ er eine silberne Gedenkmünze prägen. Diese zeigt auf dem Avers ein sich innig küssendes Paar, also ihn sowie Margaretha und die Inschrift: „WIE KVSSEN SICH DIE ZWEY SOFEIN“. Auf dem Revers ist dagegen boshafter Weise eine Nonne mit Brevier sowie Rosenkranz dargestellt, was Anna symbolisieren soll und die Inschrift: „WER KVST MICH ARMES NVNNELIN“. Aber dabei beließ es Johann Casimir nicht. So ließ er auch einen Kupferstich anfertigen, welcher das fürstliche Brautpaar nebeneinander liegend zeigt, während in der Entfernung traurig eine Nonne steht. Den Hintergrund bildet eine frei gestaltete Landschaft, in der allerdings die Veste Coburg und das Kloster Sonnefeld eindeutig erkennbar sind.
Ein Exemplar dieser Münze sowie des Stiches ließ sicherlich Johann Casimir boshafter Weise der darüber natürlich sehr geschockten Anna übergeben. Alles andere hatte sie bestimmt für die Tage der Hochzeit erwartet, nur nicht diese Demütigung. Denn garantiert nur, um sie öffentlich zu kränken, war von ihm der Hochzeitstaler und der Stich in Auftrag gegeben worden. Sicherlich war ihm geraten worden dem bisherigen Spott seiner Standesgenossen über die Umstände seiner ersten gescheiterten Ehe nun mit Gegenhohn zu begegnen. Annas Hoffnung, dass Herrscher, wie so oft bei glücklichen Ereignissen in der Familie, sodann gegen Gefangene und andere Unglückliche Barmherzigkeit walten lassen, sie also auch irgend einen Gnadenbeweis bekäme, hatten sich damit erübrigt.
Ob Margaretha sich im Laufe der folgenden Jahre bei ihrem Gemahl für ihre gefangene Cousine engagierte ist unbekannt, aber wenig wahrscheinlich. Denn auch ihre Ehe scheint sich offenbar von Anfang an, wohl auf Grund Johann Casimirs Bindungsprobleme sowie schwierigen Charakters nicht sehr glücklich entwickelt zu haben. Seinen Lebensstil hat er jedenfalls für die neue Gattin in keinerlei Weise geändert.
So musste Anna langsam zur Kenntnis nehmen, dass die Eheschließung ihres früheren Gemahls mit ihrer Cousine auch längerfristig nichts an ihrem harten Gefangenenleben änderte. Ihr blieb damit nichts anderes übrig, als sich immer mehr in die geistige Welt des Glaubens zu flüchten. Da sprichwörtlich die Hoffnung zuletzt stirbt, wird sie dennoch sicher weiterhin erträumt haben, dass sie eines Tages auf irgendeine Weise, sei es durch ihre sächsischen oder dänischen Verwandten aus der Haft befreit wird.
Im Juli 1599 war für Anna ein erneuter Wandel ihres Personals eingetreten. Bedingt durch den Abgang einer Magd trat Engel Mauerin in ihre Dienste. Bald zeigte sich, dass der Personalwechsel den Frieden zwischen den Mägden völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Als Hauptstörenfried betrachtete man Marie Rösner, die vermutlich einfach ihr streng reglementiertes Leben seelisch nicht mehr aushielt. Immerhin befand sie sich schon seit 1593, als Anna in Eisenach festgehalten wurde, in deren Diensten. So musste der Schösser Feustling schließlich am 29. Oktober dem Herzog melden, dass unbedingt Abhilfe in dem zunehmenden Unfrieden zwischen den Mägden zu schaffen sei. Als Reaktion kam fünf Tage später die Anweisung die Rösnerin zu entlassen. Dafür musste sie im Beisein Feustlings sowie des Pfarrers schwören, ewiges Stillschweigen über ihre Tätigkeit für die Gefangene zu wahren und die Pflege Coburg niemals zu längerem Aufenthalt zu verlassen. Um sie anhaltend zur Einhaltung der Verpflichtung zu bewegen, sicherte ihr der Herzog die jährliche Lieferung einer gewissen Menge Korn sowie Weizen auf Lebenszeit zu.
Für Anna wurde die verwitwete Kammerfrau Agnes Kestner, die ihre kleine Tochter in den Dienst mitgebracht hatte, immer mehr zu einer großen Stütze. Sie zur Vertrauten machend erzählte sie ihr aus der Jugendzeit, den Eltern und selbst ihrer Schwägerin der Kurfürstinwitwe Sophia. Voller Mitleid diente die Kestnerin ihrer Herrin nicht nur in großer Treue, sondern stand ihr zunehmend in liebevoller Fürsorge bei. Und das nicht nur bei deren wachsenden körperlichen Beschwernissen, als Folge der Haft. Sondern eben auch der letztlich zu Grabe getragenen schweren seelischen Enttäuschung, dass sie nach der erneuten Eheschließung Johann Casimirs keine Hafterleichterungen oder gar ihre Freilassung erhalten hatte.
So verstrichen für Anna die Jahre in trostloser Hoffnungslosigkeit, dass sich ihr Leben noch einmal zum Positiven verändern könnte. In Dresden war allerdings 1601 ihr Neffe Christian II. volljährig geworden und hatte damit die Regierung des Kurfürstentums Sachsen übernommen. Dass seine Tante, die immerhin neben ihm und seinen Geschwistern die einzige noch lebende gebürtige Albertinerin war, in Coburg in Gefangenschaft gehalten wurde missfiel dem gutmütigen Christian offensichtlich. In politischen sowie insbesondere religiösen Fragen fügte sich der kaum daran interessierte Kurfürst seiner in die Regierungsgeschäfte stetig einmischenden Mutter Sophia. Scheinbar jedoch nicht in der Angelegenheit von Anna. So ließ er geheime Versuche unternehmen, um Kontakte zu seiner Tante herzustellen. Das scheint offenbar irgendwann auch gelungen zu sein. Im Interesse einer guten Beziehung zum Herzogtum Coburg schreckte der wenig entschlussfreudige Kurfürst jedoch erst einmal vor einer gewaltsamen Befreiungsaktion zurück. Abgesehen davon, dass so etwas nur schwer zu bewerkstelligen gewesen wäre, befürchtete Christian II. bestimmt, dass solch ein Handstreich unter Umständen als Landfriedensbruch ausgelegt werden könnte. Darum unterbreitete er 1602 dem in Dresden weilenden Coburger Höfling Nicolaus von Rußwurm den Vorschlag: „er wolle seine Muhme, die in Sonnefeld gefangene Herzogin, sammt ihrem Heyrathsguth, Kleinodien und Geschmuck, so man auf 100 000 fl. schätze, abholen, und sie dafür, statt der Zinsen unterhalten.“
Darauf wollte und konnte Johann Casimir überhaupt nicht eingehen. Denn einmal war der Wert von Annas Besitz viel, viel zu hoch eingeschätzt worden und er zudem überhaupt nicht in der Lage Geld in der Höhe des Heiratsgutes aufzutreiben. Davon abgesehen beabsichtigte er aber auch einfach seine ehemalige Gemahlin weiter in seiner Gewalt zu behalten, um sie für die erlittenen Demütigungen zu strafen. Offenbar hatte diese Haltung des Herzogs zur Folge, dass sich Christian II. doch entschloss, der ganzen Geschichte mit Gewalt ein Ende zu bereiten; das allerdings viel zu zögerlich und damit nicht zeitnah genug.
Der vielleicht über die sächsischen Pläne informierte, eventuell auch nur erahnende Johann Casimir konnte so dem Kurfürsten zuvor kommen. Am 1. Mai 1603 ließ er Anna anweisen, dass sie sich zum unverzüglichen Verlassen von Sonnefeld bereithalten solle. Zu ihrer neuen Unterkunft hatte er die uneinnehmbare Veste Coburg ausersehen; hier sollte sich sodann ihr Schicksal vollenden.
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