Eine wunderliche Kirche erscheint einmal im Jahr am Heiligen Johannistag, prunkvolle Schätze offenbaren sich mit ihr zusammen auf dem Ochenskopf des Fichtelgebirges. Zumindest berichtet das die bayerische Überlieferung, die Zapf in seinem Gedicht über die Geisterkirche aufgegriffen hat. Ebenso findet sich darin ein kleiner Hinweis darauf, dass zu früheren Zeiten das Fichtelgebirge Goldgräber, insbesondere aus Venedig, angezogen haben soll. Aber das ist eine andere Sage.
Carolin Eberhardt
Einsam, schauerlich und stille
Ist’s am hohen Fichtelberg,
oben fliegen scheu die Raben,
in der Tiefe klopft der Zwerg.
Graue Wolken hängen stockig
In den finstern Wald herein,,
sausend regen sich die Bäume,
Wasser rieseln vom Gestein.
Ungesehen blüht im Schatten
Noch die Wunderblume hold
Und im Innersten verborgen
Düster glüht das rote Gold.
An dem heil’gen Tage aber,
der Johanni ist geweiht,
zeigt sich, wenn sie drunten läuten,
offen alle Herrlichkeit.
Eine Kirche in den Felsen
Hat sich schimmernd aufgetan,
edle Schätze, Gold und Silber,
schaut der Wald verwundert an.
Sonnenhelle Strahlen leuchten
In die Wildnis weit hinein,
und die alten Bäume prangen
wunderlich im Zauberschein.
Eile, Menschenkind, zu haschen,
das zur heil’gen Stelle tritt,
nimm soviel die Arme fassen,
doch beflügle deinen Schritt!
Denn wie drunten nun gesprochen
Wird das Evangelium,
mit dem Wörtlein „Amen!“ krachend
schließt der Fels sich wiederum.
Wunderbar, wie er erglommen,
ist erloschen nun der Schein,
und in seine düstern Schatten
hüllt der Wald sich wieder ein;
Einsam, schauerlich und stille
Ist’s am hohen Fichtelberg,
oben fliegen scheu die Raben
in der Tiefe klopft der Zwerg.
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Vorschaubild: Ochsenkopf_Fichtelgebirge_Weißmainfelsen8.jpg, 2019, Urheber: Robert Kropf via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.